Liturgie für die Bestattung eines Haustieres

von Prof. Dr. Klaus-Peter Jörns
Der Leib des Tieres wird zu seinem Grab gebracht und hineingelegt.
Sprecher/in 1:
Alles Leben kommt von Gott. Dafür danken wir ihm –
für unser Leben genauso wie für das Leben von N.N. (Name des Tieres).
Sprecher/in 2:
N.N. ist ein Teil unseres Lebens gewesen.
Er/sie hat uns das Leben in einer schönen Gestalt gezeigt,
die uns erfreut und unseren Alltag bereichert hat.
Hier können die an der Beerdigung Teilnehmenden Erinnerungen einfügen.
Sprecher/in 1:
Wir danken Gott für alles, was N.N. für uns gewesen ist
und was er / sie unserem Leben voraushatte.
Durch die Zeit mit ihm/ihr haben wir die Gewissheit gefunden,
dass nicht allein wir Menschen eine Seele haben.
Wir bedauern, was wir N.N. an Leid zugefügt haben,
und bitten unseren Schöpfer um Vergebung. Denn sein Geschöpf ist es
gewesen.
Wir sind gewiss, dass Gott durch seine Liebe alles Leid aufwiegen wird.
Und wir hoffen auf eine Zeit, in der Menschen und Tiere mehr voneinander
verstehen als in diesem Leben.
Sprecher/in 2:
Beim Prediger Salomo lesen wir (Ende Kap. 3):
»(Denn) es geht dem Menschen wie dem Tier. Wie dieser
stirbt, so stirbt auch das Tier. Sie haben alle einerlei Lebensodem,
und der Mensch hat dem Tier nichts voraus. Denn es
ist alles eitel. Es fährt alles an einen Ort zurück, es ist alles von
Erdenstaub gemacht und wird wieder zu Erdenstaub werden. Wer
weiß denn, ob der Odem der Menschen aufwärts fährt und der
Odem des Tieres nach unten fährt?«
Sprecher/in 1:
Hoffnung auf Zukunft haben wir, weil Gott zu uns auch
über den Tod hinaus in Beziehung bleiben will. Er kennt die
Freuden und Leiden aller Geschöpfe und bewahrt alles Leben in sich.
Sprecher/in 2:
(Am Grab stehend, zum Tier gewandt)
Von Erde bist du genommen,
zu Erde sollst du wieder werden.
Die Erde sei dir Ruhestatt und neuer Mutterschoß.
Unsere Zukunft liegt in Gottes Hand.
Alle: Vater unser
Alle bedecken das Grab mit Erde.
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Wen die Liturgie für die Bestattung eines Haustieres auf den ersten Blick
etwas befremdet, der bedenke: Tiere gehören zu den Lebensgaben Gottes
wie alle anderen Geschöpfe, mit denen wir auf der Erde zusammenleben.
Und mystischer Glaube glaubt seit je, dass die ganze Schöpfung
beseelt, also mit Gott als Lebensgrund unmittelbar verbunden ist. Dieser
Glaube lädt dazu ein, dass wir allem Leben mit Ehrfurcht begegnen.
Diese Ehrfurcht vor dem Leben hatte Albert Schweitzer von uns gefordert.
Durch sie können wir die Eigenheit und Einzigartigkeit jeder
Art von Leben und damit die Vielfalt der Schöpfung schützen und bewahren
helfen – wie es unsere Aufgabe ist (»Gott setzte den Menschen
in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre«; 1. Buch Mose
2,15). Wir müssen wieder damit beginnen, diese Ehrfurcht als liebevolle
Ehrfurcht und nicht nur als verbale Pflichtübung zu praktizieren. Denn
es geht darum, Gott für die Vielfalt und Schönheit des Lebens zu
danken.
Das heißt: Die Kirchen müssen sich mit Leidenschaft für das Leben
engagieren. Unter seelsorgerlichem Aspekt gehört dazu, dass die Kirchen
Menschen dabei helfen, ihre Haustiere nicht nur stumm zu verscharren,
sondern selbständig bestatten zu können. Unsere Haustiere haben alle
einen Namen und gehören also in die personalen Beziehungen der Menschen
hinein. Doch wenn sie sterben, sind die meisten Menschen hilflos
und gehen aus Hilflosigkeit mit den toten Tieren wie mit verbrauchten
Gegenständen um. Sie brauchen Hilfe, um ihre Tiere angemessen verabschieden
und dabei Gott Dank sagen zu können dafür, dass er uns in
der Gemeinschaft mit Tieren leben und ganz andere Formen von Leben
kennenlernen lässt als unser eigenes. Deshalb habe ich in meinem letzten
Buch schon eine Liturgie für die Beerdigung von Haustieren veröffentlicht.
Ich füge sie, etwas verändert, auch in dieses Buch ein. Und ich sage
offen, dass ich auch für Tiere um Gottes Segen bitte, wenn ich dazu eingeladen
werde.
Zu den notwendigen Signalen im Engagement für das Leben gehört
aber auch Kritik an der Bibel und an anthropozentrischer Theologie
von Juden, Christen und Muslimen. Denn die Bibel hat die Tiere den
Menschen ausgeliefert: »Furcht und Schrecken vor euch komme über alle
Tiere der Erde«. So lautet die anthropozentrische Devise (1. Buch Mose
9,2-3) für das Zusammenleben mit den Tieren. Die Opferpraktiken setzen
diesen Schrecken in unendlicher Wiederholung bis heute fort. Das
entspricht aber ganz und gar nicht der offenbaren Freude, die unser gemeinsamer
Schöpfer an der Vielfalt des Lebens gehabt hat. Denn der
Schöpfer fand alles gut, was er gemacht hatte, auch die Tiere (1. Buch
Mose 1,25). Dafür bin ich dankbar. Und ich freue mich, dass es im Islam
eine theologische Schule gab, die Mu’tazeliten, die sagten, dass Gott im
Jenseits Tiere entschädigen werde für Unrecht, das sie im Diesseits von
Menschen erlitten haben1. Das ist eine gute Botschaft angesichts alles
dessen, was Tieren in unserer und anderen Kulturen angetan wird.
Damit meine ich die industriell organisierten Massentötungen von
Tieren und den massenhaften Verbrauch von Tierleben für unsere pharmazeutischen
und kosmetischen Zwecke. Aber ich meine auch die immer
noch praktizierten Opferfeste einschließlich des rituellen Schächtens der
Tiere. Das islamische Opferfest ist zwar nicht im Koran verankert, wird
aber in der islamischen Tradition auf Muhammad zurückgeführt. Das
Opferfest und das Fest des Fastenbrechens sind die beiden größten Feste
des Islam. Traditionsgeschichtlich knüpft das Opferfest an die vom jüdischen
Gott Jahwe befohlene Opferung Isaaks an, die Abraham gehorsam
begonnen und dann aufgrund von Jahwes Intervention wieder beendet
hatte: Jahwe ersetzte in dieser Erzählung das Menschenopfer durch das
Tieropfer (1. Buch Mose 22,1-19).
Das nenne ich eine »Schwellengeschichte«, die einen kulturellen Quantensprung
beschreibt, wenn man an die Mütter von Kindern wie Isaak
denkt. Für die Tiere aber war es kein Gewinn, dass sie fortan für die
Menschen einspringen mussten und immer noch müssen. Der Protest
gegen diese Schlachtopfer, in denen Menschen ihrem Gott ein Drittes,
nämlich das Tier, anbieten, ist schon von Israels Propheten Hosea erhoben
worden: Gott wolle keine Tieropfer, sondern dass Menschen sich
selbst, ihr Herz, öffnen. »An Liebe habe ich Wohlgefallen, nicht an
Schlachtopfern« (Hosea 6,6; 8,13). In islamischer Sicht geht es – wie in
der jüdischen Sicht, die in unserer Literatur auch von Paulus noch vertreten
wird (Römerbrief 4,3) – um den Gehorsam, den Abraham Gott
gegenüber auch in einer Extremsituation bewiesen hat. Ja, der Koran
steigert dieses Motiv noch, indem dort auch Isaak ausdrücklich seiner
eigenen Opferung zustimmt und dadurch selbst zum Propheten wird
(Sure 37,102-113). Das Problematische an diesen Geschichten ist, dass
die Tiere in ihnen ihre eigene Schöpfungswürde, ihre Seele, verloren haben.
Sie sind Wesen minderen Lebensrechtes geworden und müssen dem
Menschen dazu dienen, dass er sich vor Gott als würdig erweist. Ich wünsche
mir, dass Hoseas und Albert Schweitzers Protest so bald als möglich
auch die Muslime erreicht. Wir Christen aber können sofort damit aufhören,
die Abraham-Isaak-Geschichte als Beispiel für wünschenswerten
Gehorsam zu verbreiten. Und wir können ebenfalls aufhören, von Jesus
zu sagen, er sei als unser Passalamm geopfert worden, wie Paulus es getan
hat (1. Korintherbrief 5,7). Das wird weder Jesu Leiden noch den Lämmern
gerecht, die Ostern bei uns geschlachtet werden.
Anmerkungen:
1 Aus: Klaus-Peter Jörns, Lebensgaben Gottes feiern. Abschied vom Sühnopfermahl – eine neue Liturgie, Gütersloh 2007, S. 191-194.
2. H.-M. Barth (2001), S. 303. Die Mu‘taziliten, wie sie auch genannt werden, waren
eine eher rationalistische Koranschule im 9. Jahrhundert.